Übermächtige Promotionsbetreuer: Doktorvater unser - Spiegel.online, 07.02.2016
Eigentlich sah alles sehr gut aus für den Nachwuchsforscher. Direkt nach seinem Diplom bekam er eine Mitarbeiterstelle an der Uni Leipzig, um seine Doktorarbeit zu schreiben. Darin wollte er untersuchen, wie Menschen Klänge wahrnehmen - und ob Töne und Melodien Einfluss auf ihr Verhalten haben können.
Vollzeit beschäftigt, Teilzeit bezahlt
Leipzig ist nur ein Beispiel. Viele Doktoranden in Deutschland sind in einer verhängnisvollen Situation: Ihr Promotionsbetreuer tritt gleichzeitig auch als ihr Arbeitgeber und als Gutachter der fertigen Doktorarbeit auf. Der Professor stellt das Thema, gibt den Job und entscheidet am Ende auch noch über den Titel. Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Lehrer und Schüler ist die Promotion im Idealfall. Zu einem Verhältnis zwischen Herr und Knecht verkommt sie mitunter.
Das zeigt sich unter anderem daran, wie häufig Doktoranden Überstunden leisten müssen: Mehr als 80 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter haben einen Teilzeitvertrag, mehr als 60 Prozent arbeiten faktisch voll. Das Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (IFQ) in Berlin hat diese Zahlen erhoben.
Der Wissenschaftsrat, das wichtigste hochschulpolitische Beratungsgremium, fordert bereits seit Längerem eine Generalüberholung der Promotion. So empfehlen die Experten unter anderem, dass die Betreuung und Bewertung einer Doktorarbeit getrennt werden sollten. Der Professor, der die Arbeit über Jahre begleitet, sollte nicht derjenige sein, der anschließend über die Note befindet.